Unsere parlamentarische Staatssekretärin im Umweltministerium und Bundestagskandidatin Rita Schwarzelühr-Sutter hatte Anfang Juni die Transformationswissenschaftlerin Maja Göpel zu Gast. Ein Gespräch, das zwar durchaus sehr gut besucht war, aber einfach noch viel mehr Aufmerksamkeit verdient gehabt hätte. Ich möchte zwei, drei Gedanken zu diesem Gespräch aufschreiben, die mir sehr wichtig sind.
Die kürzeste Zusammenfassung des Gesprächs, das man in voller Länge auf YouTube sehen kann (und sollte) habe ich in die Überschrift gepackt:
Die Frage nach dem Wir ist zentral
Das klingt so überzeugend, wie banal und ist gleichzeitig so unfassbar weit weg von unserem täglichen Empfinden, das eher eine Ellbogengesellschaft und skrupellosen Kapitalismus sieht.
Im Wesentlichen ist das die Frage nach der Post-Wachstumsgesellschaft, die zum Beispiel unser früherer Landtagsabgeordneter Christoph Bayer und natürlich Ernst-Ulrich von Weizsäcker immer wieder thematisiert haben. So gesehen ist es auch kein Wunder, dass Göpel Mitglied im Club of Rome ist, dem von Weizsäcker lange vorstand.
Gesucht ist also eine Art des Wirtschaftens, die sich an Nachhaltigkeitszielen ausrichtet und den Menschen in den Mittelpunkt stellt.
Das passt zugegebenermaßen nicht ins derzeitige Wahlkampfgedöns, wo Fragen der Nachhaltigkeit gerne auf den Benzinpreis reduziert werden. Tatsächlich ist es auch so, dass unser derzeitiges System sogar Unternehmer bestraft, die nachhaltig und eben nicht rein profitorientiert arbeiten wollen. Darauf wies Göpel mit Nachdruck hin. Dazu fällt mir spontan das Thema „Verantwortungseigentum“ ein. Das ist eine Unternehmensform, bei der die Eigentümer eines Unternehmens zwar mitbestimmen dürfen, aber nicht mitverdienen. Es ist interessant zu sehen, dass selbst große Unternehmen so arbeiten, es aber dennoch keine entsprechende Rechtsform dazu in Deutschland gibt … und das, obwohl der Grundsatz „Eigentum verpflichtet“ ja sogar im Grundgesetz steht. Derzeit behelfen sich so arbeitende Unternehmen mit komplizierten Stiftungsmodellen, während in Dänemark die Mehrzahl der Unternehmen genau so organisiert sind.
Unser Wirtschaftsmodell unterwirft sich stattdessen vollständig dem Bruttoinlandsprodukt. Das muss steigen – koste es, was es wolle. Letzteres ist ernstzunehmen. Göpel erinnert daran, dass mittlerweile 13 % des BIP dazu dienen, die Schäden unseres Wirtschaftens zu bezahlen. Sie kommt dabei auf den Benzinpreis zurück: Bei einer ehrlichen Bilanz stellt man fest, dass wir jeden Liter Benzin mit zwei Euro subventionieren.
Wie ein Umdenken und Umlenken aussehen kann, das kann man auf allen Ebenen diskutieren und selbstverständlich muss ein globaler Ausgleich geschaffen werden. Eine wichtige Rolle kommt aber auch den Kommunen zu, die eben die Situation vor Ort am besten kennen, die dafür aber nicht ausgestattet sind. Göpel plädierte deshalb eindrücklich für einen Schuldenschnitt statt einer Schuldenbremse. Die Kommunen müssen aus ihrer „öffentlichen Lethargie“ befreit werden, die durch Abbau und Privatisierung gekennzeichnet ist. Nur so gelinge ein „Empowerment der Menschen“, das „ihnen ermöglicht, ihre Interessen (wieder) eigenmächtig, selbstverantwortlich und selbstbestimmt zu vertreten“ (Wikipedia).
Nicht finanzierbar? Naja, wir subventionieren die fossilen Brennstoffe mit jährlich 50 Mrd. Euro. Wir brauchen einfach andere Kriterien für Wohlstand, als den auch in diesem Text schon zu viel strapazierten Benzinpreis. Was ist tatsächlich ein Verlust für uns? Ungezügeltes Autofahren oder Hitzewellen, Artensterben und dergleichen mehr?
Alles interessante Fragen, könnte man sagen. Da müssen wir mal drüber reden und nachdenken. Ja. Schon. Das tun wir aber schon lange. Sehr lange. Nur fehlt uns dazu mittlerweile die Zeit. Es ist eher Zeit zum Handeln und das können wir alle auf die eine oder andere Art und Weise leicht selbst. Darauf wies Rita Schwarzelühr-Sutter in ihrem Schlussstatement hin. Stimmt: Die eine kann halt doch auf viele Autofahrten verzichten und der andere besser den Ressourcen fressenden Fleischkonsum drosseln. Zehn Prozent geht immer – würde man so denken – meistens mehr. Hoffen wir, dass es reicht.
Oswald Prucker